Ist das Ende der Website nahe?
Warum Nachrichtenseiten langweilig sind und wie das vielleicht bald enden wird
Es gab mal eine Zeit, in der hat man einander coole Websites gezeigt und gestaunt, was alles möglich ist. Neue Flash-Animationen, noch nie dagewesene Navigationskonzepte, spielerische Benutzerführung. Man hat zwar nicht verstanden, wozu genau das gut sein würde, aber es machte neugierig.
Das ist bald 25 Jahre her. Aufwendige, aber letztlich zwecklose digitale Experimente wurden dann ziemlich schnell zu Zeugnissen mangelnden Digitalverständnisses bei Luxusbrands oder bei Werbeagenturen, die den Zug der Zeit verpasst hatten.
Revivals in Form von Storytellingformaten waren immer wieder nett anzusehen. Keines davon setzte sich durch. Was übrig blieb, waren immer weiter vereinfachte Formate, bis als auffälligster Unterschied zum 0815-Artikel allenfalls noch eine größere Lauftextschrift blieb.
Optische und funktionale Außergewöhnlichkeit sind keine Merkmale, die Digitalmedien heute nützlich sind. Im Gegenteil. In Design- und Usabilityfragen können Onlinemedien eigentlich nur verlieren. Funktionale Standards haben sich etabliert, Abweichungen sind störend.
Im Gegensatz dazu sind Fanzine-Messen und -Märkte voll von mehr von weniger originellen Designexperimenten. Indie-Magazine werfen neue Formate ins Rennen, auf Stackmagazines oder Veranstaltungen wie der Indiecon reihen sich Experimente aneinander. Die meisten davon haben kein langes Leben. Aber sie machen Freude, solange es die gibt.
Was sind die Hürden dabei, Gestaltungsexperimente ins Digitale zu übersetzen? Ein Problem sind sicher viele verschiedene und mobile Devices, für die einzeln optimiert werden muss. Das ist aber lösbar.
Eine andere Hürde nenne ich mal die Nahbarkeit. Ein Heft nimmt man in die Hand, blättert - und bleibt hängen oder nicht. Digital haben sich nach wie vor noch wenige Rituale etabliert. Scrollen, klicken und wischen sind schon drei verschiedene Interaktionen, die auf unterschiedliche Art und Weise kombiniert werden können. Es freut nicht alle User, das herauszufinden. Besonderheiten müssen deutlich angekündigt werden, um User zum Ausprobieren zu motivieren. Und das Paradox der Neugier ist: Je deutlicher die Ankündigung, je größer die Neugier, desto größer die Enttäuschung.
Ein dritter Punkt ist: Digitale Gestaltungsinnovationen sind schwerer abzugrenzen. Ist es dieses Seite, diese Story, dieses Thema, dieses Projekt?
Das führt zu meines Erachtens entscheidenden Punkt: Wiederholung und Muster sind Kernfunktionen digitalen Publizierens. Das ist effizient für beide Seiten: User finden sich zurecht, Publisher können ein einmal entwickeltes Konzept wieder und wieder anwenden und effiziente Workflows darauf aufbauen.
Das ist der große Vorteil des digitalen Publizierens – und zugleich auch der Aspekt, der digitale Medien so oft so langweilig macht. Im Korsett der Nachrichtenwebseite oder des Onlinemagazins ist das Besondere nicht mehr erkennbar.
Medienstartups versuchen, dem entgegenzuwirken. Sie schaffen keine eigene Kanäle mehr, sie gestalten Themenpublikationen - und greifen dann das nächste Thema in der nächsten Publikation im nächsten Format auf. Das sehen wir zum Beispiel in datenorientierten Formaten wie The Markup oder in Medienorganisationen, die sich eher als Newsrooms sehen, als Team, das Storys liefert, nicht als Medienmarke, die jede Woche oder jeden Tag das gleiche Format füllt. Medien, die so begonnen haben und danach ihren eigenen Erfolg skalieren wollten, sind daran gescheitert.
Das ist kein Aufruf, zu Papier oder zu Experimenten aus den 90er Jahren zurückzukehren. Trotzdem wird sich das Problem vielleicht anders lösen. Suchmaschinen und Social Networks haben ihre Teil dazu beigetragen, dass uns ganze Publikationen nur noch stückweise begegnen. Nachrichten werden allerdings auf Social Networks immer weniger wichtig – Medien müssen sich wehren und wieder mehr an eigener Reichweite arbeiten. Das geschieht in Form von Newslettern, Video- und Audioformaten, Personalityformaten in Social Networks, in aus der klassischen Publikation ausgekoppelten Longreads oder Datenstorys. Manche Beobachter rufen, während ich hier schreibe, zum wiederholten Mal den Tod der Webseite aus, Cory Doctorow dagegen ruft zum Big Tech-Streik auf.
Vielleicht wird sich noch eine andere Triebkraft diesmal noch deutlicher ausmachen. Mit AI verändern sich das Suchverhalten und die Rolle von Medien. Medien begegnen Usern in Form von Information und sie verlieren dabei mehr und mehr an Einfluss auf ihre Gestaltung.
Der Nachteil bei dieser Entwicklung ist, wie so oft bei Medieninnovationen: Sie funktionieren nur, so lange das aussterbende Medienbusiness noch so weit läuft, dass es diese Entwicklung finanzieren kann. Und eine Umkehr der Geschäftsmodelle ist noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Fragmentierung von Digitalmedien macht es noch schwerer, Geschäftsmodelle und Einnahmequellen zu entwickeln.