Trainingssache Zahlungsbereitschaft
„Euer Produkt ist halt schlecht“, sagen Kritiker. Dabei kaufen Kunden mit Begeisterung das viele schlechtere Produkt – wenn es nicht digital ist.
Das Angebot passt halt nicht. Ihr müsst euch ändern. Seid innovativer. Sehr doch endlich ein, dass euch keiner will. So endlich klingt es Medien entgegen, die davon erzählen, wie schwierig es ist, Digitalabos zu verkaufen.
Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen lächeln wissend-herablassend und bemühen merkwürdige Analogien. Die ÖR-Gebühr sei pro Tag niedriger als der Kaufpreis einer einzelnen Tageszeitung, und was man dafür nicht alles bekomme … ! Untergrund-Medienunternehmer, die noch kaum je ein Abo verkauf haben, verweisen auf eitle Charts und wissen es besser. Crowdfunding-Shootingstars, die Vorschusslorbeeren nicht in Geschäftsmodelle verwandeln konnten, predigen Innovation. Branchen-Pensionisten entwickeln Zukunftsvisionen, die an 30 Jahre zurückliegende Vergangenheiten erinnern.
Alle sind sich einig: Ihr Schnarchnasen könnt es halt nicht. Euch sind weder Gratisangebote im Netz noch seltsame Medienpolitik im Weg, ihr habt einfach kein gutes Produkt. Wenn ihr ein gutes Produkt hättet, dann hättet ihr auch kein Problem mit der Zahlungsbereitschaft im Internet. Und überhaupt – anderswo, in Skandinavien, in UK, funktioniert das ja aucv
Dieser Expertise möchte ich einige einfache Fakten entgegenhalten.
Einige Zeitungen haben zuletzt geradezu absurde Innovationen gestartet: Sonntags-to-go-Abos. Kunden bezahlen im Abo und im Voraus dafür, Sonntags zum Zeitungsständer zugehen und sich eine Zeitung zu holen. Etwas, dass hunderttausende andere Menschen jeden Sonntag machen, ohne dafür zu bezahlen.
Absurd.
Wie soll so ein Produkt funktionieren? Wen interessiert diese Abzocke?
Diese Produkte drehen in ihrer Startphase deutlich schneller als Digitalabos. Es sind die gleichen Inhalte, weniger sogar als im Digitalabo. Man muss das Haus verlassen, Sonntags, im Regen, in der Früh, vor dem Frühstück. Es kostet spürbar Geld.
Aber das Sonntagsabo to go ist ein gelerntes und bekanntes Produkt. Man bekommt etwas, das man angreifen und nach Hause tragen kann. Etwas zu stehlen gehört sich außerdem nicht. Das hat man von klein auf gelernt.
Genauso, wie man gelernt hat, dass Inhalte im Internet nichts kosten.
Das hat sich in manchen Märkten anders entwickelt. Deshalb sind pauschale abstrahierenden Vergleiche sinnlos, wenn es konkrete Zahlen gibt.
In manchen Märkten hat sich übrigens auch die Zahlungsbereitschaft für öffentlich rechtliche sehr unterschiedlich entwickelt. Die Stimmung dem österreichischen ORF gegenüber hat sich auch deutlich verändert, seit aus „Ich zahle halt, weil ich einen Fernseher habe“ „Ich muss zahlen, ob ich will oder nicht und es gibt keinen Ausweg“ geworden ist. Auch das ist ein Verhalten, das neu zu lernen ist.
Aus einer Reportage der Zeit: Journalisten der Ostthüringer Zeitung versuchen, Leser, in deren Wohngebieten die Hauszustellung eingestellt wird, auf digitales Lesen umzustellen.